Die vielen verschiedenen Seiten Nairobis
Nairobi ist eine sehr große Stadt mit vielen verschiedenen Seiten. Da ich jetzt schon fünf Monate hier bin, konnte ich schon einige Seiten des Lebens in Nairobi kennenlernen.
Ich lebe und arbeite in Dagoretti, einem Viertle ganz im Westen der Stadt. Abseits des Marktes hat es eher ländliche Züge, auch die Einheimischen kennen sich untereinander und es wird hier von einer Village gesprochen. Der Großteil der Leute lebt in hüttenähnlichen Häusern zur Miete. Oftmals besteht das Haus nur aus einem Raum, der Küche, Schlaf- und Badezimmer zugleich ist. Es gibt aber auch größere private Häuser oder auch Wohnhäuser. Dagoretti ist am Wachsen, dies gilt aber eigentlich für ganz Nairobi.
Die Bewohner Dagorettis sind freundlich und auf der Straße bin ich kein Unbekannter mehr. Der Grund dafür ist das tägliche Pendeln mit dem Fahrrad zwischen den beiden Schulen. Auch die Fahrer der Matatus (öffentliche Busse) am Market oder die Boda-boda-Fahrer (Motorradfahrer die als Taxi dienen) kennen mich und so fühle ich mich auch nicht mehr so fremd.
Mit vielen Leuten aus Dagoretti, mit denen ich sprach, sagten sie seien stolz darauf woher sie kommen, auch wenn das Leben hier nicht immer leicht sei. Alle müssen Zuhause anpacken, selbst die Jüngsten haben fixe Aufgaben im Haushalt. Einmal fragte ich Sam, ein einheimischer Volontär, ob er den nicht lieber im Zentrum in einem der Hochhäuser wohnen würde. Er meinte, dass er das "community" Leben, indem man sich umeinander kümmert und nicht jeder für sich dahinlebt, niemals dagegen tauschen würde.
Nachts hingegen ist Dagoretti eher nicht sicher, selbst die Einheimischen meiden es spät in der Nacht das Haus zu verlassen. Alkohol spielt hier auch eine größere Rolle, einige Leute sind auch tagsüber ständig betrunken. Auch eine Mutter eines Kindes im Projekt hat ein Alkoholproblem, ist ständig betrunken und vernachlässigt somit ihr Kind. Man sieht es dem Jungen auch an, dass sich außer den Sisters kaum jemand um ihn annimmt.
Steigt man in ein Matatu und fährt ca. 10 Minuten nach Karen (Stadtteil Nairobis), sieht die Welt schon wieder anders aus. Hier finden sich mehrere Einkaufszentren, nach modernsten Ansprüchen und den dementsprechenden Preisen, welche für die meisten Bewohner Dagorettis unerschwinglich sind. In Karen sieht man auch einige weiße Menschen und Touristen, die sich nie nach Dagoretti verirren würden. Außerdem gibt es in Karen einen Golfplatz, Luxushotels und die größten Villen, die ich bis jetzt selbst gesehen habe. All diese Plätze werden streng bewacht und zu manchen Vierteln bekommt man erst gar keinen Zutritt, alles ist sehr privat.
Auf mich wirkt es, als würde Nairobi sehr schnell wachsen, überall wird gebaut, und die Stadt entwickelt sich ganz klar weiter. Wer es sich leisten kann, kann hier nach denselben Standards leben wie in Österreich. Es gibt überall in der Stadt sehr fortschrittliche Orte, die auch immer mehr werden. Nairobi ist bestimmt einer der wichtigsten Städte Afrikas und wird mit Sicherheit auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen.
Meiner Ansicht nach sind die Politiker und deren Korruption das Einzige, das diese Region zurückhält. Mit dieser Ansicht bin ich nicht alleine - egal wen ich frage, ob Lehrer, Sister oder Student - alle sagen die Politiker regieren nur um sich selbst zu bereichern. Wobei die politische Welt nur in gewissen Zügen mit der in Österreich verglichen werden kann. In Kenia bestimmt die Herkunft, also der Tribe aus dem die Politiker stammen, ob man in der Politik auf nationaler Ebene Erfolg hat. Zum Beispiel ist der aktuelle Präsident Uhuru Kenyatta, der auch noch zufällig der Sohn des ersten Präsidenten ist, ein Kikuyu und wird somit von der größten Bevölkerungsgruppe unterstützt.
Auch finde ich es nicht gut, dass die westlichen Länder oder auch NGOs sehr oft eine belehrende Position gegenüber Ländern des Globalen Südens einnehmen, als würden es die Leute hier nicht auf die Reihe bekommen. Es sollte mehr von Zusammenarbeit und nicht Hilfe gesprochen werden. In der Bevölkerung steckt ein enormes Potenzial, viele von ihnen hatten nur nicht das Glück in einem Land geboren zu werden, in dem Bildung, das Gesundheitswesen und so vieles mehr vom Staat zur Verfügung gestellt wird. Denn somit haben sie keinen oder nur limitierten Zugang dazu.
Je länger ich hier bin, umso mehr schätze ich diese Leistungen, die viele einfach als normal hinnehmen, aber das sind sie auf gar keinen Fall.